Freitag, 20. November 2009

Bundesrepublik Deutschland GmbH & Co. Kg oder Unternehmen Staat?

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch legt für sein Bundesland erstmals eine kaufmännische Bilanz vor (Quelle: http://kurse.focus.de/news/Koch-legt-erstmals-kaufmnnische-Bilanz_id_news_126526752.html ).
Interessante Angelegenheit.
Und eigentlich ja auch ganz konsequent.
Ist der Staat letztlich nichts anderes, als ein großes Unternehmen?
Diesen Eindruck habe ich zu mindestens, wenn ich mir den größten Teil der finanzpolitischen Debatten anschaue.
Aber dann kommt aus den hintersten Winkeln meines Gehirns so ein merkwürdiges Grummeln und Murren.
Echt? Ist ein Staat wirklich nichts anderes als irgendein gewinnorientiertes Unternehmen?
Welche Rolle spielen wir denn eigentlich in dieser Firma?
Wir, die Menschen die in dem Unternehmen Staat leben. Sind wir die Ware, die das Unternehmen verkauft? Sind wir die Angestellten? Sind wir die Inhaber?
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass das Bild des Staats als Unternehmen nicht wirklich stimmig ist.
Oder, um es genauer zu sagen, für mich nicht stimmig ist. Denn für Herrn Koch und viele andere scheint es ja zu passen.
Ich kann mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, als Mensch nur ein Posten in einer Gewinn/Verlustrechnung zu sein.
Der einzelne Mensch in unserer Gesellschaft ist doch mehr, als ein Kostenfaktor, der am Ende seines Lebens mehr Euros in die Staatskassen eingebracht hat, als er gekostet hat.
Leider sieht es in der realen Politik anders aus.
Da wird seit Jahrzehnten gejammert, die Sozialausgaben sind zu hoch, die Renten, die Krankenversicherung, das Arbeitslosengeld, die Sozialhilfe usw., usf...
Und, um diese "Belastungen" in der Bilanz in den Griff zu bekommen, wird gespart und gekürzt.
In einem Unternehmen macht das Sinn.
Aber in einem Staat?
Die Rente: Das ist meine Mutter, die mich groß gezogen hat.
Die Krankenversicherung: Das sind meine Eltern, die krank werden, weil sie älter werden.
Die Arbeitslosenversicherung: Das ist mein Vater, der mit 62 Jahren keinen Job mehr finde.
Die Sozialhilfe: Das ist meine Schwester, die ihre zwei Kinder alleine groß ziehen muss, weil der Vater der Beiden sich verdrückt hat.
Die negativen Posten in der Bilanz des Staates sind real existierende Menschen aus meiner, aber auch Deiner Familie.
Wer würde seine Mutter verhungern lassen, weil sie unwirtschaftlich ist?
Ich hoffe, dass irgendwann der Staat weniger als ein Unternehmen verstanden wird, sondern mehr als eine Art große Familie, in der man solidarisch und gemeinsam die Herausforderung der Gegenwart und der Zukunft angeht.

Gutzuwissen

Anmerkung: Die Darstellung der „Sozialfälle“ in meiner Familie ist natürlich etwas zugespitzt.
Meine Schwester z.B. ist nicht Alleinerziehend und ist, soweit ich weiß, glücklich mit dem Vater der Kinder verheiratet. Sie erhält wohl tatsächlich „nur“ Kindergeld. Ihr Mann, der auch zufällig mein Schwager ist, ist im Staatsdienst. Also irgendwie auch ein Kostenfaktor in der Staatsbilanz, und wahrscheinlich sogar „teurer“ als wenn meine Schwester Sozialhilfe empfangen würde.
Das würde aber alles die Sache nur unnötig verkomplizieren.


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