Freitag, 28. Januar 2011

Der Dschungel ist hier, oder: Ich bin ein Idiot, ich schau das Camp!

Da habe ich vor ein paar Tagen noch Dieter Hildebrandt als großes Urgestein des politischen Kabarett gewürdigt und als Dank beschimpft er mich nun als “Idioten”.
Nun, nicht mich persönlich, aber mich und die übrigen rund acht Millionen Zuschauer, die sich bei RTL das Dschungelcamp anschauen.
Im SWR sagte er wörtlich: "Acht Millionen Menschen sehen im Augenblick 'Dschungelcamp'. Diese acht Millionen sind ein Ausschnitt aus einer Bevölkerung von 80 Millionen, das heißt, zehn Prozent sehen das. Die Engländer haben irgendwann mal entschieden, zehn Prozent jedes Volkes sind Idioten – das passt ja dann ganz genau auf diese acht Millionen".
Ob Herr Hildebrandt hier nicht ein wenig überheblich und vor allem sehr pauschal urteilt?

Auf jeden Fall ist diese Geschichte eine prima Gelegenheit für mich, ein wenig den Eindruck zu korrigieren, den ich möglicherweise auf den Leser meines kleinen Blogs machen könnte..
Wenn ich mir meine eigenen Beiträge aus einer inneren Distanz durchlese, bin ich manchmal versucht zu denken: Mensch, was für ein netter Kerl! Ein Streiter für die wahren und guten Werte der Menschheit. So ein richtig korrekter und anständiger Typ.

Das ist in vielen Fällen sicher auch richtig. Aber eben nicht immer.

So habe ich z.B. durchaus auch ein “Trash-Gen”. Ich kann mich über völlig geistlosen Schwachsinn amüsieren, sehe gerne Comedyshows -oft auch schlechte- und bin Unterhaltungssendungen gegenüber aufgeschlossen.
Ich halte Stefan Raab für einen Segen für das deutsche Entertainmant, bekenne mich bis heute zu meiner Begeisterung für die Musik der “Neuen Deutschen Welle”, habe jede Folge von “Alles Nichts Oder?!” auf Video und lese regelmässig einen Block mit Klatsch und Tratsch aus der Welt der Prominenten (Promipranger).

Und ich schaue das Dschungelcamp. Genau gesagt: “Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!”.
Wobei ich diese Show nicht nur einfach für guten “Trash” halte, sondern für eines der besten Formate, welches das Fernsehen zur Zeit zu bieten hat.

Im Zusammenhang mit dieser Show hört man extrem häufig Sätze wie: “So einen primitiven und ekeligen Scheiss schaue ich mir doch nicht an...” und die das sagen, halten sich vermutlich auch für die besseren Menschen. Halt so wie Dieter Hildebrandt.

Zum Glück darf ja jeder seine Meinung bilden, wie er möchte und niemand ist gezwungen sich irgendetwas im TV anzusehen. Soweit ist diese Position also völlig OK.

Ich sehe das Format jedoch völlig anders.

Zunächst ist das Camp einfach extrem gut gemacht. Das Moderatorenpaar Sonja Zietlow und Dirk Bach sind ein absoluter Glücksgriff. Während Sonja Zietlow mir sonst eher als Namensgeberin furchtbarer Talkshows und Teleprompterableserin (“Die 10...”) in Erinnerung war, kann sie hier, neben dem völlig durchgeknallten Dirk Bach, mit extrem clever und witzigen Ansagen glänzen.
Das offenbar hinter den Texten eine Horde sehr guter Autoren steht, tut der Sache keinen Abbruch. Das macht Spass, denen zuzuhören.
Dazu bietet die Kulisse tolle Bilder, die Musik, der Schnitt: Einfach toll gemacht!
Und dann das Konzept: 10 - 12 Leute in eine sehr bescheidenen Dschungelszene zu setzen, ihnen jeden Kontakt zur Außenwelt zu nehmen und zu sehen was passiert, ist das eigentlich Geniale an der Show.

Dazu muss ich kurz erwähnen, dass ich auch die ersten Staffeln von “Big Brother” mit Begeisterung gesehen habe und mir sogar für die zweite und dritte Staffel (als ich mir das noch finanziell leisten konnte) bei “Premiere” den “24 Stunden Big Brother Kanal” abonniert hatte.

Zunächst befriedigen solche Formate natürlich meinen Voyeurismus.
Sind wir doch mal ehrlich: Wer schaut nicht hin, wenn er an einer Wohnung im Erdgeschoss vorbei geht, an deren Fenster keine Vorhänge oder blickdichte Gardinen hängen und in der sich irgendetwas bewegt? Vielleicht schämen wir uns ein wenig, aber wir sehen trotzdem hin.

Aber in erster Linie fasziniert mich der soziologische Aspekt solcher Beobachtungen.
Ich habe mich immer wieder aus beruflichen Gründen, aber auch aus privatem Interesse mit der Frage beschäftigt: Wie funktioniert das Zusammenleben der Menschen? Wer verhält sich wie und warum? Wie verändern sich Beziehungen und welche Rolle spielen solche Beziehungen in der Entwicklung der Gruppe und des Einzelnen? Ein unglaublich spannendes Thema...

Und das Dschungelcamp ist für mich der fast perfekte Mikrokosmos unserer Gesellschaft.
Die “Prominenten” bieten ein recht gutes Spiegelbild von dem Durchschnittsmenschen. Alle nicht völlig bedeutungslos aber auch weit von der Spitze entfernt. So sind sie gezwungen, sich auf dieses Spiel einzulassen. So wie wir uns irgendwie darum kümmern müssen, dass wir am Ende des Tages etwas zu Essen auf dem Tisch und ein Dach über dem Kopf haben.
Wer ist denn wirklich in der Situation, sein Leben völlig selbstbestimmt leben und gestalten zu können?
Und so sind die meisten von uns gezwungen, tagtäglich in “den Dschungel” zu gehen, dort mit Menschen zu tun zu haben, die wir uns nicht ausgesucht haben und Tätigkeiten nachzugehen, die wir ohne Bezahlung sicher nicht ausführen würden (“Dschungelprüfung”).
Was sich dabei an Beziehungen entwickelt, wie sich Gruppen bilden, Konkurrenzkämpfe stattfinden, jeder versucht, seine eigene Position zu halten oder zu verbessern - alles das geschieht auch im Dschungelcamp. Trotz der wenigen Teilnehmer dort, findet man sicher genug Parallelen zu Menschen aus seiner eigenen Umgebeung. Die Lauten, die Stillen, die Cleveren, die Dummen, die Sympatischen und die Nervenden. Alle sind dabei...
Daß das ganze in dem extrem kommerziellen Umfeld von RTL stattfindet, macht das ganze nur noch realistischer. Ist unsere reale Welt nicht auch durchkommerzialisiert bis in die letzten Winkel?

Bei “Big Brother” bin ich dann irgendwann ausgestiegen, weil mich zunehmenden gestört hat, dass dort Leute vor die Kamera gezerrt wurden, die offenbar keine Ahnung hatten, welche Konsequenzen solche Auftritte im TV haben können. Mittlerweile verweige ich mich allen Shows die in erster Linie davon Leben, irgendwelche “armen Deppen” vor die Kamera zu zerren, sie zum Gespött der Öffentlichkeit zu machen und sie dann wieder auf die Strasse zu schmeissen.
Wenn ich mitbekomme, wie z.B. bei “DSDS” junge Menschen, mit einer eindeutig gestörten Selbstwahrnehmung (und offenbar ohne Freunde und wohlmeinende Familienmitglieder), von RTL mit allen Regeln der Kunst vor einem Millionenpublikum lächerlich gemacht werden, frage ich mich ernsthaft, ob da überhaupt noch jemand so etwas wie ein Gewissen hat. Ob sich da jemals jemand fragt, wie so ein “Opfer” am nächsten Montag in der Schule, im Betrieb oder sonstwo empfangen wird und wie ein Mensch damit klar kommen soll.

Die Teilnehmer im Dschungelcamp sind jedoch alles Menschen, die sich bewusst für ein Leben in der Öffentlichkeit entschieden haben. Die haben alle einen Manager, oder einen Agenten, mit dem sie Chancen und Risiken des Auftritts durchsprechen und die letztlich mit 50.000,- Euro auch ganz ordentlich entschädigt werden.
Für 50.000,- Euro muss ich ein paar Jahre nachts Briefe sortieren...
Von daher kann habe ich kein Problem, diesen Leuten im Camp zu zusehen.

Ich bin allerdings auch weit davon entfernt, mich über die “Promis” und ihren B, C, oder D Status lustig zu machen.
Wie ich ja schon sagte, sind das letztlich auch nur normale Leute, die halt einen Beruf haben, der sie an die Öffentlichkeit bringt.
Seit rund zwei Wochen drehen sich diese Leute nur um sich selbst. Die freundliche Fassade, die jeder von draussen mit in das Camp genommen hat, ist mittlerweile fast vollständig gebröckelt, das tägliche Voting erhöht den Druck  auf jeden Einzelnen, ob die gewählte Strategie wohl richtig war und ob er heil aus der Sache kommt. Und wenn alles vorbei ist, wird sich manch einer wundern, wie er sich dort im Camp verhalten hat.
Aber: So sind wir Menschen! Nicht nur die Promis im Camp. Wehe, wenn wir mal eine echte Krise erleben...

Also, lieber Dieter Hildebrandt und alle anderen die “diesen Scheiss” nicht schauen: Viel Spass, bei allem, was ihr statt dessen tut. Ich bin jedenfalls gespannt auf die letzten beiden Folgen, von “Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!”

Gutzuwissen

Samstag, 22. Januar 2011

Satire Gipfel (ARD): Nuhr enttäuschend...

Der "Scheibenwischer" war einst eine gute politische Kabarettsendung.
Sehr wortlastig, nicht besonders spritzig oder modern in der Präsentation, aber erste Wahl für Freunde der "politischen Unterhaltung".
Unter der Leitung von Dieter Hildebrandt traten dort so großartige Köpfe wie Gerhard Polt, Hagen Rether oder Konstantin Wecker auf und vertraten dort mehr oder wenig humoristisch ihre klaren Positionen. Eben politisches Kabarett.

Dieter Nuhr habe ich immer für einen recht guten Comedian gehalten, der in Rubrik "Comedy" immer einen sehr guten Job gemacht hat. Auf jeden Fall einen der geistreicheren Humorarbeiter, dem ich eigentlich immer ganz gerne zugesehen habe.

In dieser Woche lief zum ersten mal die Sendung "Satire Gipfel" mit Dieter Nuhr als Moderator.

Der "Satire Gipfel", den die ARD einst mit den Worten: "Der ehemalige "Scheibenwischer" mit neuem Outfit, neuem Namen und altem Biss" beschrieb.

Nun muss ich gestehen, dass ich die bisherigen Ausgaben des "Satire Gipfel" fast ausnahmslos verpasst habe, was daran liegt, dass ich Mathias Richling, der die Sendung bisher moderiert hat, einfach nicht ausstehen kann. Nicht wegen dem was er sagt, sondern wegen dem, wie er es sagt. Ich kann dem Mann einfach nicht zuhören.
Aber, das ja OK. Solange das, was er macht, genügend Leuten gefällt, soll er es halt machen...

Umso gespannter war ich nun zu sehen, wie die Sendung mit Dieter Nuhr als neuem Moderator so ist.

Tja, was soll ich sagen?

Ich werde sie wohl auch in Zukunft nicht sehen...

Was immer sich die ARD und Dieter Nuhr dabei gedacht haben mögen, mich spricht es jedenfalls nicht an.
Für "Comedy" ist das ganze einfach nicht witzig genug und "politisches Kabarett"? Sorry, aber hier hatte die Moderation das Niveau einer durchschnittlichen Karnevalssitzung. Nur ohne Tusch dazwischen...

"Ganz wichtig natürlich: Die Grundhaltung." So erläutert Nuhr zu Beginn der Sendung seine Motivation. Und die hat er mehr als deutlich gemacht:
"Es ist ja Aufschwung. Wir sind auf dem Weg zur Vollbeschäftigung. Deutschland ist ein extrem erfolgreiches Land"

Mit diesem ernst gemeintem Sätzen begann ein Monolog, in dem er deutlich macht, wie schwierig es ist, überhaupt noch Themen für das Kabarett zu finden, wo es uns doch so unglaublich gut geht...


Wenn der Wirtschaftsminister Brüderle einen solchen Satz nuschelt, kann man das vielleicht mit dem FDP Parteibuch und übermässigem Weingenuss erklären.

Aber der Moderator einer Sendung, die sich als Nachfolgesendung des "Scheibenwischer" sieht?

Dann folgten ein paar müde aber schon oft gehörte Gags zur DDR (die seit zwanzig Jahren nicht mehr existiert, aber Antikommunismus geht immer), über unfähige Staatsdiener (die zu wenig Streusalz bestellen, nicht weil die Kassen der Kommunen leer sind, sondern weil sie einfach zu blöde sind) und über die unfähigen Staatsbanken die "in der Staatskrise das meiste Geld versenkt haben" (wobei die "Staatskrise" in Wirklichkeit eine weltweite "Bankenkrise" war, die nur durch das Geld der Staaten (Steuergelder) nicht zum völligen Zusammenbruch der Weltwirtschaft geführt hat).
Mit diesem Stand-Up, hätte Dieter Nuhr auf der Weihnachtsfeier der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) sicher sein Publikum begeistert.

Mich nicht.

Dann folgten zwei Kabarettisten deren Namen ich (mit Recht) schon wieder vergessen habe. Darunter eine Frau, die sich über "Ökos" und "Biofreaks" lustig machte.
Kann man natürlich machen. Aber wäre eine Nummer zum Thema Dioxin in Lebensmittel und den dafür Verantwortlichen nicht vielleicht nahe liegender gewesen, statt über die herzufallen, die in ihrem privaten Konsumverhalten versuchen, gegen die Auswüchse der industriellen Lebensmittelproduktion anzugehen?

Na gut.

Und dann kam: Matze Knop!

Nun, Unterhaltung ist natürlich immer auch Geschmackssache. Und sicher gibt es auch Menschen, die Matze Knop lustig finden. Dazu gehören z.B. die Verantwortlichen von "Bild.de" die Knop regelmäßig in "lustigen" Filmchen Prominente -überwiegend aus dem Sport- "parodieren" lässt.

Ich finde ihn genauso lustig wie Oliver Pocher. Nämlich gar nicht.

Wer holt einen solchen Comedian in die Nachfolgesendung vom "Scheibenwischer"?!?

Einziger Lichtblick in dieser Sendung war Andreas Rebers. 
Er gehörte auch schon beim "Scheibenwischer" zu den regelmäßigen Gästen und ist so eine Art Kabarettist, die mit der Sprache jonglieren können und denen man einfach gerne zuhört, weil sie einen immer mal wieder überraschen.

Nun, für mich war der "Satire Gipfel" eine einzige Enttäuschung und ich befürchte, Dieter Hildebrand würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er denn schon Tod wäre.

Stattdessen sitzt er aber möglicherweise nächste Woche Dienstag (25.1.2011/ 22:15) wieder im Publikum der Sendung "Neues aus der Anstalt" im ZDF.
Dort sitzt er nämlich öfter und scheint sich prächtig zu amüsieren. 
Auch der oben erwähnte Andreas Rebers ist in dieser Sendung wieder zu sehen.
Und genau diese Sendung ist der Beweis, das politisches Kabarett auch in unserer Zeit durchaus noch seinen Platz im deutschen Fernsehn hat und gut funktioniert. 
Außerdem liefert das ZDF auch den Beweis, das Comedy und Politik prima zusammen passen können: Mit der von mir geschätzten "heute-show".
Das ist eher Unterhaltung der leichten Art, trotzdem mit dem "Biss", den die ARD für den "Satire Gipfel" so vollmundig aber vergebens angekündigt hat.

Frank-Markus Barwasser ("Aufgemerkt, Pelzig unterhält sich"), die letzte "Nachwuchshoffnung" der ARD in diesem Bereich, ist im letztem Jahr zum ZDF gewechselt.
Wenn demnächst auch noch Harald Schmidt (übrigens noch auf dem selben Sendeplatz wie der "Satire Gipfel) wieder zurück zum "Unterschichten-Kuschel-Sender" SAT.1 wechselt, hat "das Erste" im Bereich Kabarett nichts ernst zu nehmendes mehr im Angebot. 

Aber genau solche Sendungen sind es, die die Notwendigkeit und Berechtigung von öffentlich-rechtlichen Medien ausmachen. 

Comedy  und neoliberale Unterhaltungssendungen macht das kommerzielle Privatfernsehen sicher besser.

Kritischer und unabhängiger Journalismus und eben auch Unterhaltung, die mal gegen den Strich gebürstet ist, kann aber nur ein durch Gebühren finanziertes und unabhängiges System anbieten. 

Dieter Nuhr ist das vermutlich ziemlich egal. Der moderiert inzwischen alles weg, was er angeboten bekommt. Nur einen Tag nach dem "Satire Gipfel" in der ARD moderierte er für RTL zur Primetime eine lustige Unterhaltungssendung ("Typisch Frau - Typisch Mann"). Um den müssen wir uns keine Sorgen machen.

Aber um das Niveau der ARD schon... 

Gutzuwissen